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                                  START         Jo Specht                                                                             

Über 72 Stunden

   Kämpferin: »Drei Tage, drei Nächte lagen wir im Wald und warteten auf die Panzer. Wir wussten, irgendwann werden sie kommen - genau diese Straße entlang.«

   Auslandsreporter: »Warum wart ihr euch da so sicher?«

   Kämpferin: »Übers Gelände konnten sie nicht kommen, der Boden war zu aufgeweicht. Zudem, sie wollten so schnell wie möglich vorankommen. Da blieb ihnen nur diese Straße.«

   Auslandsreporter: »Ihr wusstet, sie kommen über diese Straße, ihr wusstet aber nicht wann.«

   Kämpferin: »Es war uns allen klar, dass wir warten, dass wir Geduld haben mussten. Es waren drei harte Tage und Nächte. Die Nächte mit über zehn Grad minus. Da wird von einem schon einiges abverlangt. Zu essen hatte jeder von uns nur seine Tagesration dabei - eine Tagesration für drei Tage. Jeder teilte sie sich so ein, dass sie für drei Tage reichte.«

   Auslandsreporter: »Bei einem vierten Tag oder vierten Nacht hätte ihr aufgeben müssen?«

   Kämpferin: »Aufgeben? Nein! Uns wäre schon etwas eingefallen.«

   Auslandsreporter: »Ihr hättet vielleicht ein Reh erlegen können und …«

   Kämpferin: »Und ein Feuer anzünden und ein schönes Picknick machen können? Was für ein Blödsinn! Wir durften kein Feuer machen! Das Feuer hätte unsere Position verraten.«

   Auslandsreporter: »Richtig! Entschuldigung!«

   Kämpferin: »Du warst nicht in der Situation, Du weißt es nicht. Trotzdem hoffe ich, dass Dein Bericht gut und richtig wird.«

   Auslandsreporter: Jeder gute Reporter muss sich in eine Situation hineindenken können. Er muss adaptieren können, deshalb …«

   Kämpferin: »Was willst Du mir sagen?«

   Auslandsreporter: Ich versuche mir alles so gut es geht vorzustellen.«

   Kämpferin: »Mach das!«

   Auslandsreporter: »Was hat euch motiviert, solche Extremsituationen durchzuhalten? Klar, ihr wusstet, die Panzer werden …«

   Kämpferin: »Was für eine blöde Frage ist das?«

   Auslandsreporter: »Die ganzen Strapazen, da könnte doch der eine oder andere einknicken. Wie habt ihr euch motiviert durchzuhalten?«

   Kämpferin: »Deine blöde Frage wird nicht besser, wenn du sie wiederholst.

   Auslandsreporter: »Ich wollte nur …«

   Kämpferin: »Unsere Motivation? Was meinst Du zu, wir wollen das Unrecht bekämpfen, wir wollen die russischen Aggressoren aus dem Land werfen, wir wollen in Freiheit leben, nicht von Russlands Gnaden abhängig sein? Was meinst Du zu, wir kämpfen, um unsere Angehörigen zu beschützen, unser Hab und Gut zu verteidigen? Was meinst Du zu Heimatliebe als Motivation? Reicht das für Dich?«

   Auslandsreporter: »Natürlich, bitte entschuldige. Ich wollte …«

   Kämpferin: Bei mir kommt als Motivation dazu, als sie die Krim besetzten, wehrten wir uns. Mein Mann geriet in Gefangenschaft. Sie folterten ihn, schlugen ihn zum Krüppel, gaben ihm dann den Gnadenschuss. Sie sagten tatsächlich Gnadenschuss.«

   Auslandsreporter: »Das tut mir sehr leid!«

   Kämpferin: »Nicht alle Russen sind so. Doch unter ihnen gibt es wahre Bestien.«

   Auslandsreporter: »Sicherlich, nicht alle …«

   Kämpferin: »Im Wald mussten wir auch aufpassen, was von oben kommt.«

   Auslandsreporter: »Bomben?«

   Kämpferin: Nein, so blöd sind die Russen auch nicht, dass sie mir nichts, dir nichts ein einsames Waldstück bombardieren. Wir mussten aufpassen, dass sie uns nicht entdecken. Sie mussten glauben, dass sie ein einsames, harmloses Waldstück vor sich haben. Mit Hubschraubern haben sie uns mehrmals überfolgen.«

   Auslandsreporter: »Ihr habt euch gut getarnt.«

   Kämpferin: »Wir trauen denen alles zu, auch dass sie mit Wärmekameras und Infrarotkameras den Wald absuchen. Damit sie uns nicht entdecken, haben wir uns in Erdlöcher, Höhlen und Felsspalten versteckt. Als sie zwei Mal kurz hintereinander uns überflogen, wussten wir, es geht los - die Panzer kommen!«

   Auslandsreporter: »Es sollen über hundert Panzer gewesen sein.«

   Kämpferin: »Wir haben sie gestoppt!«

   Auslandsreporter: »Sie verharren hinter einem Hügel.«

   Kämpferin: »Nachdem wir zwei Panzer abgeschossen hatten, kamen zwei Helikopter und haben wie verrückt in den Wald geballert. Sie wussten aber nicht, wo wir waren. Natürlich haben wir immer unsere Position gewechselt. Die Helikopter sind dann abgedreht. Wahrscheinlich hatten sie Angst, von uns abgeschossen zu werden.«

   Auslandsreporter: »Ihr habt mehr als zwei Panzer ausgeschaltet.«

   Kämpferin: »Sieben, es waren insgesamt sieben Panzer! Das reichte ihnen. Sie zogen sich zurück, hinter dem Hügel. Dort sind sie immer noch.«

   Auslandsreporter: »Angeblich sollen russische Bodentruppen den Wald durchkämen.«

   Kämpferin: »Sollen sie! Wir sind weg! Sie werden uns erst wieder bemerken, wenn sie es überhaupt nicht erwarten, an irgendeiner anderen Stelle.«

   Auslandsreporter: »Haben die Panzer nicht auch geschossen?«

   Kämpferin: Wie die Helikopter, ganz wild! Doch auch sie wussten nicht wo wir waren. Nachdem wir die zwei Panzer getroffen hatten, konnten wir ziemlich leicht die fünf anderen erledigen.«

   Auslandsreporter: »Wie das?«

   Kämpferin: »Wir haben in der Kolonne zuerst den sechsten und siebten Panzer abgeschossen. Sie blockierten die Straße. Die Panzer hinter ihnen konnten nicht weiter. Sie stoppten aber auch aus Angst, ebenfalls getroffen zu werden. Die fünf Panzer vor ihnen konnten nicht schnell genug zurück, wie gesagt, die Straße war durch die zwei von uns zerstörten Panzer blockiert. Wir hatten genug Zeit, einen nach dem anderen auszuschalten. Ich habe alle Treffen mit dem Handy gefilmt. Du kannst mir glauben, das werde ich mir auf dem Handy oft anschauen.«